Making of - Interview mit Regisseurin Charlotte Lorenz
Mit einer letzten Premiere am 4. Juni 2022, einem Solo mit ITZ-Schauspielerin Lisette Holdack, beschließt das ITZ diese Spielzeit. Es geht um Hochstapelei, eine brüchig glamouröse Welt und die Macht der eigenen Erzählung. Dramaturgin Jana Gmelin Charlotte Lorenz einige Fragen.
Ihr widmet Euch in der Produktion „Making Of“ dem Thema Hochstapeln. Wie seid Ihr darauf gekommen, was interessiert dich daran?
Ich hatte nach dem Studienabschluss in Corona-Zeiten große Geldsorgen. Auch wenn ich darüber bereits von Freund*innen gehört hatte, war es nochmal etwas anderes, die bürokratischen Mühlen, in die man dann gezwungen wird, selbst zu erleben. Ich habe in dieser Zeit viel Erniedrigung erfahren und verstanden, was es bedeutet, um den eigenen Wert für die Gesellschaft kämpfen zu müssen. Ich begann, mich mit Klassismus auseinanderzusetzen, mit der wachsenden gesellschaftlichen Schere und der Diskriminierung von Armut. Dabei sind mir auch neue Hochstapler*innen-Figuren begegnet, die damals begannen, die Medienlandschaft zu bevölkern. Als Theatermacherin interessieren sie mich als ambivalente Figuren, denn sie legen das System in seiner Oberflächlichkeit frei und führen uns die eigenen (Fehl-)Schlüsse vor Augen. Bestimmte Codes im Zusammenhang mit Klasse zu untersuchen, finde ich besonders für das Theater wichtig, das ja immer noch als eine Hochkulturinstitution gilt.
Was bedeutet der Titel „Making Of"?
Damit ist bei uns in erster Linie das tatsächliche mediale Format gemeint. Uns interessiert am filmischen Genre des Making Of, dass die Beteiligten häufig behaupten, dass es sich um den „besten“, „spektakulärsten“ Film handelt, an dem sie gerade arbeiten. Dabei kann das in frühen Arbeitsphasen noch niemand wirklich sagen. Ein Erfolgsnarrativ wird also vorgespielt, in der Hoffnung, dass der Film es einlöst. Darum ist das Making Of gewissermaßen das hochstapelnde Genre schlechthin! Diesbezüglich ist es interessant, dass in Kunst und Medien eine immer stärkere Betonung der Produktionsprozesse gegenüber dem Ergebnis stattfinden. Das hat zur Folge, dass diese Entstehungsprozesse natürlich auch immer mehr inszeniert werden. Im Stück denken wir dies weiter und fragen uns: Reicht es mittlerweile, den Prozess glaubwürdig zu dokumentieren, um als erfolgreich zu gelten und damit letztlich auch erfolgreich zu sein?
Zum künstlerischen Produktionsteam gehören außerdem Co-Autor Jakob D’Aprile und Kostümbildnerin Josefin Kwon, die nach der Produktion „Schimpf&Schande“ zum zweiten mal am ITZ zu Gast ist. Wie sah eure Zusammenarbeit aus?
Wir arbeiten bereits seit 2019 in dieser Konstellation und sind daher ein eingespieltes Team. Co-Autor und Schauspieler Jakob D’Aprile und ich sind stark vom Film geprägt, was sich auch in den Szenen widerspiegelt, die wir schreiben. Mit Josefin Kwon verbindet uns dabei eine große Affinität zur Popkultur. Im Prozess kommunizieren wir viel mit Bildern, über die wir uns austauschen. Daraus entwickelt Josefin Kwon dann eine Vision für die Gestaltung des Raumes und der Kostüme. In unseren Arbeiten als Trio geht es oft darum, ein Universum zu entwerfen, das der bekannten Welt in vielem ähnelt, sich davon aber in gewissen, entscheidenden Punkten durch Überhöhung oder Verschiebung unterscheidet. Dort soll das Publikum dann die Möglichkeit bekommen, das Gewohnte wieder als etwas Künstliches, Gemachtes zu verstehen. In Making Of schrauben den allgegenwärtigen Zwang zur Selbstdarstellung und den Wunsch nach Erfüllung von Kindheitsträumen so in die Höhe, dass daraus am Ende ein Alptraum wird – oder ein Befreiungsschlag, je nachdem, wie man es sehen möchte!
Das Stück ist ein Solo mit ITZ-Schauspielerin Lisette Holdack. Wie unterscheidet sich die Arbeit an einem Solo von einer Produktion mit mehreren Schauspieler*innen?
Einen Soloabend zu entwickeln ist etwas sehr Besonderes, da sich die gesamte Arbeit auf eine*n Schauspieler*in konzentriert. Spielimpulse von den Mitspielenden gibt es nicht und so entfaltet sich die gesamte Handlung aus einer einzigen Person heraus. Der eine Mensch auf der Bühne muss sich vervielfältigen, vor allem wenn mehrere Figuren auftreten. Darin sehe ich auch große Parallelen zur Aufforderung nach Vielseitigkeit und Flexibilität auf dem Arbeitsmarkt. Diese Vorstellung, nicht zu genügen, hat sich sicher auch dadurch zum zentralen Thema von Making Of entwickelt. Diese Sisyphosarbeit daran, wer man im Verhältnis zur Welt ist, spielt ja auch beim Hochstapeln eine große Rolle. Darum habe ich diese Begrenzung auf eine Person letztlich als großes Geschenk wahrgenommen.
Ein kleiner Ausblick - was erwartet das Publikum in „Making Of"?
In der Tradition des Making Of staple ich an dieser Stelle mal hoch und sage: Sie erwartet ein wilder Ritt mit einer tollen Schauspielerin, eine tragische Geschichte mit viel Humor und eine Konfrontation mit den eigenen Sehnsüchten und Widersprüchen!